27. Februar 2025

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Webdesigner sind die neuen Manipulatoren: Wie wir Nutzer bewusst lenken und warum das gut so ist

Webdesigner sind die neuen Manipulatoren

Hast du dich als User schon ein­mal gefragt, warum du in einem Online­shop immer wie­der einen ganz bestimm­ten But­ton anklickst, obwohl er nur ganz leicht vom Rest der Seite abweicht? Oder warum du genau auf jenen mani­pu­la­ti­ven Wer­be­ban­ner schaust, der eigent­lich gar nicht so spek­ta­ku­lär wirkt, aber plötz­lich doch deine Auf­merk­sam­keit fes­selt? Viel­leicht kam dir auch schon ein­mal der Gedanke, dass all die Far­ben, For­men und Anord­nun­gen auf einer Web­seite nicht ganz zufäl­lig aus­ge­wählt sind. Tat­säch­lich steckt hin­ter jeder Menü­füh­rung, jedem Lay­out und jeder Farb­wahl ein durch­dach­ter Plan, der oft mani­pu­la­tive Ele­mente beinhal­tet. Und ganz ehr­lich: Das ist nicht nur Zufall, son­dern die Summe aus Erfah­rung, Psy­cho­lo­gie und gewis­sen Tricks, die bewusst oder unbe­wusst grei­fen sol­len. Genau hier kommt das Wort “Mani­pu­la­tion” ins Spiel.

Wenn wir das Wort “Mani­pu­la­tion” hören, den­ken viele von uns sofort an etwas Nega­ti­ves. Wir ver­bin­den damit Täu­schung, Hin­ter­list und eine bewusst bös­ar­tige Stra­te­gie, die uns zu etwas drängt, das wir gar nicht wol­len. Im Zusam­men­hang mit Web­de­sign und nut­zer­ori­en­tier­ten Ober­flä­chen klingt das zunächst also ziem­lich frag­wür­dig. Aber wenn man genauer hin­schaut, merkt man schnell, dass Mani­pu­la­tion nicht gleich Mani­pu­la­tion ist. Das Netz ist ein Ort, an dem wir stän­dig mit Infor­ma­tio­nen bom­bar­diert wer­den. Wir kli­cken auf Links, schauen uns Pro­dukte an, liken Fotos, fül­len For­mu­lare aus und sind per­ma­nent von Rei­zen umge­ben. Ohne eine gewisse Len­kung wäre das gesamte Nut­zer­er­leb­nis ziem­lich chaotisch.

An die­ser Stelle kom­men Web­de­si­gner ins Spiel, die mit ihren Kennt­nis­sen über Design­prin­zi­pien und Nut­zer­psy­cho­lo­gie dafür sor­gen, dass wir uns auf Web­sites intui­tiv zurecht­fin­den. Sie gestal­ten bewusst kleine Ori­en­tie­rungs­hil­fen, die uns quasi an die Hand neh­men. Mal ist es ein dezen­ter Pfeil, der unse­ren Blick lenkt, mal eine Farbe, die uns zum Klick ver­führt. Letz­ten Endes ent­schei­den wir zwar selbst, was wir ankli­cken und wie lange wir auf einer Seite ver­wei­len, doch die Gestal­tung von Web­sei­ten und Apps kann uns mani­pu­lie­ren. Aber dass wir uns dort über­haupt so sicher und fast wie zu Hause füh­len, liegt auch an jenen unsicht­ba­ren Wegen, die Web­de­si­gner für uns bauen. Und genau diese unsicht­ba­ren Wege sind oft nichts ande­res als sub­til ange­wandte Mecha­nis­men, die uns unbe­wusst len­ken – eine Form der Mani­pu­la­tion, die in vie­len Fäl­len sogar gewünscht ist.

Was bedeutet Manipulation im Webdesign?

Mani­pu­la­tion muss nicht immer etwas Schlech­tes sein. Tat­säch­lich sind wir alle jeden Tag auf kleine “Mani­pu­la­tio­nen” ange­wie­sen. Wenn ein Auto­fah­rer vor dem Zebra­strei­fen abbremst und winkt, damit wir die Straße über­que­ren, dann wer­den wir mani­pu­liert, den Fuß auf die Fahr­bahn zu set­zen. Wenn ein Super­markt die Back­wa­ren an den Ein­gang plat­ziert, mani­pu­liert er uns, zuerst den Duft von fri­schem Brot wahr­zu­neh­men und viel­leicht unge­plante Ein­käufe zu täti­gen. Über­tra­gen auf das Web­de­sign bedeu­tet Mani­pu­la­tion in der Regel, dass wir als Nut­zer unbe­wusst dazu gebracht wer­den, eine bestimmte Aktion aus­zu­füh­ren – zum Bei­spiel das Kli­cken auf den “Kaufen”-Button oder das Aus­fül­len eines Anmeldeformulars.

Im Kern geht es also um die ziel­ge­rich­tete Len­kung von Auf­merk­sam­keit und Ver­hal­ten. Die­ser Pro­zess basiert auf Erkennt­nis­sen aus Psy­cho­lo­gie, Neu­ro­bio­lo­gie und Design­tech­nik. Web­de­si­gner wis­sen, dass ein Nut­zer in Sekun­den­bruch­tei­len ent­schei­det, ob ihn eine Seite anspricht oder nicht. Sie ken­nen die Prin­zi­pien der soge­nann­ten “Con­ver­sion” – also der Wand­lung eines Besu­chers in einen Kun­den, Abon­nen­ten oder ein­fach nur in einen auf­merk­sa­men Leser, was oft durch den Ein­satz von soge­nann­ten Dark Pat­terns geschieht. Dazu bedie­nen sie sich gezielt bestimm­ter Trig­ger, um die Ver­weil­dauer zu erhö­hen, ein Ver­trau­ens­ge­fühl zu schaf­fen und Nut­zer schluss­end­lich in die Rich­tung einer spe­zi­fi­schen Aktion zu bewegen.

Ein inter­es­san­tes Bei­spiel dafür ist der soge­nannte “Call to Action”. Man kann das als eine Art Ein­la­dung ver­ste­hen, auf einen bestimm­ten Knopf zu drü­cken oder ein For­mu­lar aus­zu­fül­len. Häu­fig wird diese Ein­la­dung durch Far­ben unter­stützt, die wir unbe­wusst als posi­tiv wahr­neh­men. Rot erregt Auf­merk­sam­keit, Grün sym­bo­li­siert Sicher­heit, Blau schafft Ver­trauen. All das sind Nuan­cen, die im Kopf des Nut­zers eine Wir­kung haben, noch bevor er über­haupt bewusst dar­über nach­denkt. Gleich­zei­tig spie­len auch Wort­wahl und Posi­tio­nie­rung eine große Rolle. Ein geschickt plat­zier­ter Call-to-Action-But­ton ist leich­ter zu fin­den, lockt durch einen freund­li­chen oder drän­gen­den Text (“Jetzt ent­de­cken!”, “Sofort sichern!”) und ist oft in einer leuch­ten­den Farbe gestaltet.

An die­sem Bei­spiel wird deut­lich, dass Mani­pu­la­tion im Web­de­sign nicht zwangs­läu­fig etwas Unmo­ra­li­sches sein muss. Viel­mehr ist es ein Mit­tel, um Men­schen auf einer Web­site zu ori­en­tie­ren und ihnen den Weg zu wei­sen. Das Wort “Mani­pu­la­tion” hat hier eher den Bei­geschmack, dass die Metho­den oft unbe­wusst grei­fen. Der Nut­zer spürt nicht unbe­dingt, dass er gerade gelei­tet wird – und genau dar­auf zielt das moderne Design ja auch ab. Die Frage ist, wo die Grenze zwi­schen nütz­li­cher Hil­fe­stel­lung und Bevor­mun­dung verläuft.

Die Psychologie im Webdesign hinter Farben, Formen und Texten

Spä­tes­tens seit­dem Mar­ke­ting und Wer­be­agen­tu­ren wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nisse über die Wir­kung von Far­ben und Schrif­ten nut­zen, ist klar: Die Psy­cho­lo­gie spielt im Design eine immens wich­tige Rolle, ins­be­son­dere in Bezug auf mani­pu­la­tive Ads. Web­de­si­gner pro­fi­tie­ren von die­sen Erkennt­nis­sen in vie­ler­lei Hin­sicht. Far­ben haben einen signi­fi­kan­ten Ein­fluss auf unsere Gefühls­lage. Rot kann aggres­siv wir­ken, aber eben auch Lei­den­schaft signa­li­sie­ren. Blau erin­nert an den Him­mel oder das Meer und ver­mit­telt Ruhe und Ver­trauen. Grün steht für Wachs­tum, Natur und Sicher­heit. Wie Far­ben im Detail wahr­ge­nom­men wer­den, ist natür­lich auch kul­tu­rell geprägt und kann absicht­lich zur Mani­pu­la­tion ein­ge­setzt wer­den. Den­noch exis­tie­ren in vie­len west­li­chen Län­dern ähn­li­che Asso­zia­tio­nen, die sich Unter­neh­men und Desi­gner zunutze machen.

Das­selbe gilt für For­men und Lay­outs. Runde, wei­che For­men ver­mit­teln häu­fig Gemüt­lich­keit und Har­mo­nie. Sie wir­ken ein­la­dend und warm. Eckige Designs strah­len eher Klar­heit, Struk­tur und Serio­si­tät aus. Dann gibt es die Frage, wie groß ein­zelne Berei­che auf einer Seite sein soll­ten. Ein gro­ßer, in der Mitte plat­zier­ter Ban­ner zieht mehr Auf­merk­sam­keit als ein klei­nes Sym­bol in der Rand­spalte. Schrif­ten dür­fen nicht nur ein­fach les­bar sein; sie trans­por­tie­ren auch eine eigene Per­sön­lich­keit. Ver­spielte Schrif­ten kön­nen bei Kin­dern oder in krea­ti­ven Kon­tex­ten ein Gefühl von Leich­tig­keit erzeu­gen, wohin­ge­gen seri­fen­lose, schlichte Schrif­ten eher für Serio­si­tät und Moder­ni­tät ste­hen.
Ein wei­te­res Instru­ment ist die soge­nannte “Kogni­tive Leich­tig­keit”. Je ein­fa­cher es uns gemacht wird, Infor­ma­tio­nen zu ver­ar­bei­ten und Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, desto eher füh­len wir uns wohl.

Das bedeu­tet in der Pra­xis: Ein anspre­chen­des Lay­out, klar erkenn­bare Menü­punkte, logi­sche Navi­ga­ti­ons­struk­tu­ren, aus­rei­chend Weiß­raum – all das senkt die kogni­tive Belas­tung, die wir beim Besuch einer Web­site spü­ren. Dadurch sind wir eher bereit, wei­ter zu scrol­len, zu lesen oder eben jene gewünschte Hand­lung aus­zu­füh­ren. Ein­fa­che Spra­che, kurze Sätze und direkt for­mu­lierte Über­schrif­ten tra­gen eben­falls dazu bei, dass wir uns gut zurechtfinden.

Die Kunst der Web­de­si­gner besteht nun darin, all diese Puz­zle­teile stim­mig zusam­men­zu­fü­gen, sodass die Seite einer­seits pro­fes­sio­nell und ästhe­tisch wirkt, ande­rer­seits aber auch den Nut­zer lenkt. Dabei kann durch­aus eine unter­schwel­lige Ver­füh­rung statt­fin­den: Wir hal­ten uns gern dort auf, wo es optisch anspre­chend und kogni­tiv ein­fach ist. Unan­ge­nehme The­men oder schwie­rige Texte dage­gen schre­cken schnell ab. Wer also ein bestimm­tes Pro­dukt ver­kau­fen will, gestal­tet seine Web­site gern so, dass wir unbe­wusst län­ger ver­wei­len. Und je län­ger wir ver­wei­len, desto höher die Chance, dass wir uns in Rich­tung Kauf­ent­schei­dung mani­pu­lie­ren lassen.

Grenzbereiche und Dark Patterns

Natür­lich ist nicht immer alles posi­tiv. Es gibt auch Fälle, in denen Web­de­si­gner bewusst soge­nannte “Dark Pat­terns” ein­set­zen, um Nut­zer zu Ent­schei­dun­gen zu ver­lei­ten, die für diese viel­leicht gar nicht so vor­teil­haft sind. Ein klas­si­sches Bei­spiel ist das ver­steckte Abon­ne­ment. Man möchte eigent­lich nur ein kos­ten­lo­ses Ange­bot tes­ten, merkt aber gar nicht, dass man dabei still­schwei­gend ein Abo abschließt. Oder man fin­det den “Ablehnen”-Button bei Coo­kie-Ban­nern kaum, wäh­rend der “Akzeptieren”-Button groß und far­ben­froh hervorsticht.

Dark Pat­terns sind gewis­ser­ma­ßen das böse Gesicht der Web­de­sign-Mani­pu­la­tion. Hier wer­den psy­cho­lo­gi­sche Tricks bewusst ein­ge­setzt, damit der Nut­zer am Ende viel­leicht mehr Geld aus­gibt, seine Daten frei­gibt oder schlicht­weg nicht merkt, dass er etwas zuge­stimmt hat, was er in vol­ler Trans­pa­renz womög­lich abge­lehnt hätte. Ein wei­te­res Bei­spiel sind Count­down-Timer, die sug­ge­rie­ren, dass ein bestimm­tes Ange­bot nur noch für ganz kurze Zeit ver­füg­bar ist. In Wirk­lich­keit kann die­ses Ange­bot aber oft noch tage­lang gebucht wer­den. Der künst­lich erzeugte Zeit­druck mani­pu­liert uns also, eine schnelle Ent­schei­dung zu tref­fen, die wir sonst viel­leicht noch­mal über­dacht hätten.

Sol­che Metho­den sind ethisch natür­lich hoch­gra­dig frag­wür­dig und sor­gen dafür, dass Mani­pu­la­tion im Web­de­sign einen ziem­lich schlech­ten Ruf bekommt. Hier unter­schei­den sich die Geis­ter in der Bran­che. Man­che Desi­gner sagen: “Solange der Kunde zahlt, lie­fern wir, was er will.” Andere wie­derum legen gro­ßen Wert dar­auf, ihre Arbeit im Sinne der Nut­zer zu gestal­ten, weil sie wis­sen, wie schnell man Ver­trauen zer­stö­ren kann. Hier kommt der Punkt, an dem man sich klar machen muss, dass Mani­pu­la­tion nicht gleich Mani­pu­la­tion ist. Jeman­den unter­stüt­zend zu füh­ren und ihm den Weg auf einer Web­seite zu erleich­tern, ist nicht das­selbe wie ihn aktiv zu übervorteilen.

Gerade die gesetz­li­che Lage und die stei­gende Sen­si­bi­li­sie­rung der Öffent­lich­keit sor­gen inzwi­schen dafür, dass Dark Pat­terns immer öfter in der Kri­tik ste­hen. Nut­zer wer­den miss­traui­scher, lesen sich die Texte genauer durch und tau­schen sich in sozia­len Medien aus. Wer sich hier zu stark auf nega­tive For­men der Beein­flus­sung ver­lässt, kann lang­fris­tig Nach­teile haben. Denn ent­täuschte oder gar betro­gene Nut­zer kom­men sel­ten zurück. Und genau hier zeigt sich, dass Mani­pu­la­tion im Web­de­sign ein sehr fei­nes Händ­chen erfor­dert und schnell nach hin­ten los­ge­hen kann, wenn man es damit übertreibt.

Warum Manipulation auch positiv sein kann

Doch blei­ben wir nicht nur bei den nega­ti­ven Bei­spie­len. Es gibt näm­lich viele Gründe, warum sub­til ein­ge­setzte Len­kung im Web­de­sign durch­aus Sinn macht. Den­ken wir ein­mal an wich­tige gesell­schaft­li­che oder gemein­nüt­zige The­men. Wenn eine Orga­ni­sa­tion eine Kam­pa­gne gegen Lebens­mit­tel­ver­schwen­dung star­tet oder Spen­den für Kli­ma­schutz­pro­jekte sam­melt, möch­ten die Ver­ant­wort­li­chen natür­lich, dass mög­lichst viele Men­schen mit­ma­chen. In sol­chen Fäl­len ist es fast ein Muss, den Nut­zer geschickt zu lei­ten – etwa durch einen kla­ren Fokus auf die Spen­den­mög­lich­keit oder einen pro­mi­nent plat­zier­ten But­ton, um eine Peti­tion zu unterzeichnen.

Auch im Bereich der Bar­rie­re­frei­heit kann geziel­tes Web­de­sign Wun­der wir­ken. Wenn ein Lay­out so gestal­tet ist, dass Men­schen mit Seh­einschrän­kun­gen pro­blem­los navi­gie­ren kön­nen, ist das eben­falls eine Art Mani­pu­la­tion, nur eben zum Vor­teil der Nut­zer. Man könnte es auch Hil­fe­stel­lung nen­nen. Die Grenze ist flie­ßend und kann durch mani­pu­la­tive Tech­ni­ken beein­flusst wer­den. Letzt­lich geht es darum, bestimmte Nut­zer­ak­tio­nen oder ‑reak­tio­nen wahr­schein­li­cher zu machen. Ob wir das nun “Design-Opti­mie­rung” oder “Mani­pu­la­tion” nen­nen, ändert am Ergeb­nis nichts. Wich­tig ist, dass der Nut­zer sich in dem Pro­zess nicht schlecht behan­delt fühlt.

Außer­dem darf man nicht ver­ges­sen, dass wir oft selbst ein Inter­esse an einer gewis­sen Füh­rung haben. Nie­mand möchte auf einer Web­site nach den Kon­takt­in­for­ma­tio­nen suchen wie nach der berühm­ten Nadel im Heu­hau­fen. Wer kennt nicht die Frus­tra­tion, wenn der “Weiter”-Button plötz­lich ganz woan­ders ist, als man ihn erwar­tet? Eine durch­dachte Navi­ga­tion, ein kla­rer Bestell­pro­zess oder ein deut­lich sicht­ba­rer Hilfe-But­ton sind eben­falls For­men von Len­kung. Sie erleich­tern uns das Leben und stei­gern die Zufrie­den­heit mit dem Angebot.

Dass wir Men­schen uns so leicht lei­ten las­sen, hat schlicht mit unse­rer Bio­lo­gie und Psy­cho­lo­gie zu tun. Unser Gehirn ist dar­auf aus­ge­legt, Ener­gie zu spa­ren und schnellst­mög­lich zu ent­schei­den, ob sich etwas lohnt oder nicht. Klare Signale in Form von Far­ben, Sym­bo­len oder kur­zen Tex­ten kom­men unse­rem Wunsch nach Ein­fach­heit ent­ge­gen. In dem Moment, wo wir uns gut auf­ge­ho­ben füh­len, ent­wi­ckelt sich Ver­trauen. Ist die­ses Ver­trauen ein­mal geschaf­fen, fol­gen wir den Vor­schlä­gen, die uns die Seite macht, nur zu gerne. Und gerade wenn es um kom­plexe The­men geht, sind wir dank­bar, dass uns jemand die Rich­tung weist.

Ethische Überlegungen: Ein Drahtseilakt

Natür­lich bleibt immer die Frage im Raum, wo genau wir die Grenze zwi­schen sinn­vol­ler Füh­rung und über­grif­fi­ger Mani­pu­la­tion zie­hen. Eine pau­schale Ant­wort gibt es wohl kaum, denn hier spie­len per­sön­li­che Werte, recht­li­che Rah­men­be­din­gun­gen wie die DSGVO und auch kul­tu­relle Gepflo­gen­hei­ten eine Rolle. In den meis­ten Fäl­len wird ein Web­de­si­gner im Auf­trag eines Unter­neh­mens oder einer Orga­ni­sa­tion tätig sein und die dor­ti­gen Ziele umset­zen. Da flie­ßen dann natür­lich die Mar­ke­ting-Stra­te­gien mit ein, die nicht immer deckungs­gleich mit dem sind, was der Nut­zer rein objek­tiv betrach­tet brau­chen würde.

Ethik im Web­de­sign beschäf­tigt sich daher inten­siv mit der Frage, wie man Nut­zer len­ken kann, ohne sie zu täu­schen. Eine beliebte Faust­re­gel lau­tet: “Sei so trans­pa­rent wie mög­lich.” Zeigt man klar auf, warum man ein bestimm­tes Ange­bot her­vor­hebt oder wieso bestimmte Daten abge­fragt wer­den? Ist der Nut­zer jeder­zeit in der Lage, eigene Ent­schei­dun­gen zu tref­fen und sich abzu­mel­den oder zu wider­spre­chen? Dies sind alle­samt wich­tige Punkte, die in seriö­sen Design­pro­zes­sen eine Rolle spielen.

Es gibt zudem Initia­ti­ven, die sich dafür stark­ma­chen, Dark Pat­terns zu mei­den und faire, men­schen­zen­trierte Gestal­tung in den Vor­der­grund zu rücken. Diese Initia­ti­ven haben teil­weise Leit­li­nien erstellt, an denen sich Desi­gner ori­en­tie­ren kön­nen. Dort wird zum Bei­spiel emp­foh­len, Optio­nen gleich­wer­tig zu prä­sen­tie­ren, statt die gewünschte Option extrem her­aus­ste­chen zu las­sen und die Alter­na­tive kaum sicht­bar zu machen. Auch das Thema Daten­schutz spielt hier hin­ein: Wenn ich ehr­lich und ver­ständ­lich erkläre, wofür ich Coo­kies nutze, fühle ich mich als Nut­zer weni­ger aus­ge­nutzt und bin eher bereit, meine Daten zu teilen.

In die­sem ethi­schen Span­nungs­feld bewegt sich das moderne Web­de­sign immer. Es ist ein per­ma­nen­ter Balan­ce­akt zwi­schen den Wün­schen des Auf­trag­ge­bers, der mög­lichst viele Klicks und Con­ver­si­ons sehen will, und den Bedürf­nis­sen der Nut­zer, die sich nicht in die Irre füh­ren las­sen möch­ten. Genau hier ent­schei­den Details, ob eine Mani­pu­la­tion als posi­tiv oder nega­tiv wahr­ge­nom­men wird.

Der Trend geht weiter: Mehr Personalisierung, mehr Daten, mehr Möglichkeiten

Ein Blick in die Zukunft zeigt, dass die Mani­pu­la­ti­ons­mög­lich­kei­ten im Web­de­sign eher zuneh­men wer­den. Dank immer bes­se­rer Ana­ly­se­tools und rie­si­ger Daten­men­gen kön­nen Web­sites sehr genau mes­sen, wie Nut­zer inter­agie­ren. Wer einen Online­shop betreibt, kann etwa ana­ly­sie­ren, an wel­cher Stelle ein poten­zi­el­ler Kunde abspringt, und dar­auf­hin Anpas­sun­gen vor­neh­men. Viel­leicht wird der Kauf­pro­zess ver­ein­facht oder es erscheint ein Pop-up, das genau zum rich­ti­gen Zeit­punkt einen Rabatt­code anbie­tet, was uns dazu ver­lei­tet, uns für einen News­let­ter anzu­mel­den. Das alles sind For­men einer immer stär­ker wer­den­den Per­so­na­li­sie­rung, die den Nut­zer noch direk­ter anspre­chen und leiten.

Gleich­zei­tig wer­den auch die Tech­no­lo­gien zur visu­el­len Gestal­tung immer fort­schritt­li­cher. Ani­ma­tio­nen, 3D-Effekte, Vir­tual Rea­lity und Aug­men­ted Rea­lity – all das kann das Nut­zer­er­leb­nis noch inten­si­ver gestal­ten. Man stelle sich vor, wir besu­chen in zehn Jah­ren einen Online-Laden, in dem wir uns vir­tu­ell bewe­gen kön­nen und die Pro­dukte fast grei­fen kön­nen. An wel­cher Stelle wir dann “kau­fen” kli­cken, ist bestimmt kein Zufall mehr. Der vir­tu­elle Raum selbst wird ver­mut­lich so kon­zi­piert sein, dass er unsere Sinne anregt und unsere Kauf­laune steigert.

Auch Sprach­as­sis­ten­ten und Chat­bots sind ein wich­ti­ger Fak­tor. Wenn wir in Zukunft immer mehr mit digi­ta­len Assis­ten­ten spre­chen, anstatt zu tip­pen, wird die Stimme, Ton­lage und Wort­wahl ent­schei­dend sein, um uns in eine bestimmte Rich­tung zu len­ken. Hier kann man sich sogar vor­stel­len, dass uns ein Chat­bot emo­tio­nal “abholt”, wenn er merkt, dass wir uns unsi­cher füh­len. Er könnte uns beru­hi­gen oder bestär­ken – auch das ist eine Form der Mani­pu­la­tion, dies­mal auf einer sehr mensch­li­chen Ebene.

Der Trend zur immer prä­zi­se­ren Erfas­sung von Nut­zer­da­ten wird dazu füh­ren, dass man uns noch geziel­ter anspre­chen kann. Wenn man weiß, dass jemand gerne Sport­ar­ti­kel kauft, kann man ihm auf einer Seite, die schein­bar gar nichts mit Sport zu tun hat, trotz­dem zufäl­lig Sport­pro­dukte vor­schla­gen. Wenn man weiß, dass jemand eher impul­siv ein­kauft, kann man den Bestell­pro­zess noch­mal beschleu­ni­gen, um eine schnelle, mög­li­cher­weise mani­pu­la­tive Ent­schei­dung zu för­dern. Man sieht, wie die Gren­zen zwi­schen Hil­fe­stel­lung und Beein­flus­sung ver­schwim­men. Einer­seits fühlt sich der Nut­zer “per­so­na­li­siert” ange­spro­chen und genießt viel­leicht die Auf­merk­sam­keit. Ande­rer­seits stellt sich die Frage, wie viel davon eigent­lich bewusst geschieht und wo der Kon­troll­ver­lust beginnt.

Warum wir es eigentlich wollen

Wenn wir ganz ehr­lich sind, wol­len wir als Nut­zer oft selbst gelenkt wer­den. Jeden Tag sind wir mit einer Flut an Infor­ma­tio­nen kon­fron­tiert. Ohne klar struk­tu­rierte Inter­faces, ein­gän­gige Links und ver­ständ­li­che But­tons wür­den wir uns in die­sem Dschun­gel schlicht ver­lie­ren. Die Zeit, die wir im All­tag haben, ist begrenzt. Wenn eine Web­site uns bin­nen weni­ger Sekun­den die wich­tigs­ten Infos ver­mit­telt und uns quasi an die Hand nimmt, sind wir oft­mals dank­bar dafür.

Der Punkt ist, dass Mani­pu­la­tion immer dort pro­ble­ma­tisch wird, wo wir uns bedrängt oder über­lis­tet füh­len, ins­be­son­dere wenn wir über die Kün­di­gung eines Abon­ne­ments nach­den­ken. Solange wir das Gefühl haben, frei­wil­lig eine Ent­schei­dung zu tref­fen – auch wenn sie durch geschick­tes Design ange­sto­ßen wurde –, sind wir zufrie­den. In die­sem Sinne ist Web­de­sign immer ein Aus­tausch zwi­schen dem, was wir brau­chen, und dem, was der Anbie­ter uns geben möchte. Gutes Design schafft es, unsere Bedürf­nisse zu erah­nen und uns in eine Rich­tung zu füh­ren, die wir ohne­hin neh­men wür­den – nur viel­leicht schnel­ler, rei­bungs­lo­ser und ohne gro­ßes Kopfzerbrechen.

Man kann das mit einem guten Ver­käu­fer ver­glei­chen. In einem Geschäft mer­ken wir schnell, ob uns jemand nur etwas auf­schwat­zen will oder ob er uns wirk­lich berät. Ein guter Ver­käu­fer wird unsere Bedürf­nisse ermit­teln, uns gezielt die pas­sen­den Pro­dukte zei­gen und unsere Ent­schei­dung mit ein paar schlüs­si­gen Argu­men­ten unter­stüt­zen. Wir füh­len uns in die­sem Fall gut auf­ge­ho­ben und gehen letzt­lich zufrie­den zur Kasse. Genauso funk­tio­niert gutes Web­de­sign: Es spricht unsere Bedürf­nisse an, unter­stützt unsere Ent­schei­dungs­fin­dung und drängt uns nicht. Obwohl es uns natür­lich in eine Rich­tung lenkt, emp­fin­det man diese Len­kung nicht als unangenehm.

Worauf Nutzer achten sollten

Auch wenn die Frage nicht nur ist, wie Web­de­si­gner ihre Auf­gabe ver­ste­hen, son­dern auch, wie wir als Nut­zer damit umge­hen, lohnt sich ein kur­zer Blick auf unsere eigene Ver­ant­wor­tung. Wir kön­nen uns selbst schu­len, ein kri­ti­sches Bewusst­sein zu ent­wi­ckeln. Sicher, der Trend geht dahin, alles mög­lichst schnell und rei­bungs­los zu erle­di­gen. Das heißt jedoch nicht, dass wir blind­lings jedem But­ton fol­gen müs­sen, der uns vor die Nase gesetzt wird.

Es kann hilf­reich sein, sich hin und wie­der zu fra­gen: “Warum kli­cke ich jetzt eigent­lich hier drauf?” oder “Ist die­ses Ange­bot tat­säch­lich zeit­lich so begrenzt, wie es scheint?” Wer ein wenig Hin­ter­grund­wis­sen über Design­prin­zi­pien und Mar­ke­ting­stra­te­gien hat, durch­schaut bestimmte Tricks schnel­ler. Zudem hilft es, Bewer­tun­gen und Kom­men­tare von ande­ren Nut­zern zu lesen, bevor man sich auf einer Seite regis­triert oder etwas kauft.

Den­noch sollte man sich klar­ma­chen, dass es prak­tisch unmög­lich ist, sich jeder sub­tile Len­kung bewusst zu ent­zie­hen. Das Inter­net ist ein Ort, an dem Design und Psy­cho­lo­gie Hand in Hand gehen, um unser Ver­hal­ten zu beein­flus­sen. Das kann in vie­len Situa­tio­nen sehr prak­tisch sein, weil wir so schnel­ler ans Ziel kom­men. Es kann aber auch zu Fehl­ent­schei­dun­gen füh­ren, wenn uns die Beweg­gründe des Anbie­ters nicht trans­pa­rent sind oder wir nicht genau hinschauen.

Warum Manipulation und Orientierung oft Hand in Hand gehen

Web­de­si­gner sind ohne Frage die neuen Mani­pu­la­to­ren – und das nicht per se im nega­ti­ven Sinne. Wenn wir vom klas­si­schen Bild des Mani­pu­la­tors aus­ge­hen, der im dunk­len Käm­mer­chen Fäden zieht, ver­feh­len wir die Rea­li­tät. Tat­säch­lich ist Web­de­sign heute mehr denn je eine Mischung aus Kunst, Wis­sen­schaft und Psy­cho­lo­gie. Wer eine erfolg­rei­che Seite gestal­ten will, muss ver­ste­hen, wie Men­schen den­ken und emp­fin­den. Das führt zwangs­läu­fig dazu, dass man Wege fin­det, Nut­zer zu lei­ten und ihre Ent­schei­dun­gen zu beeinflussen.

Aller­dings ist Mani­pu­la­tion im Web­de­sign in vie­len Fäl­len nichts ande­res als eine hel­fende Hand, die uns durch den Infor­ma­ti­ons­dschun­gel lotst. Sie kann uns auf Ange­bote auf­merk­sam machen, die wir ansons­ten über­se­hen hät­ten. Sie kann die Bedie­nung ver­ein­fa­chen, indem wich­tige But­tons an der rich­ti­gen Stelle plat­ziert wer­den. Sie kann uns dazu brin­gen, uns im bes­ten Fall mit sinn­vol­len Pro­duk­ten, Ideen oder Orga­ni­sa­tio­nen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Das Pro­blem ent­steht erst, wenn die­ser Pro­zess aus­ge­nutzt wird, um uns gegen unse­ren eigent­li­chen Wil­len zu beein­flus­sen – oder wenn wir nicht mehr mer­ken, wie sehr wir gesteu­ert werden.

In einer Welt, in der wir immer mehr Zeit online ver­brin­gen, wer­den diese Fra­gen nur noch drän­gen­der. Wir soll­ten uns bewusst machen, dass wir nicht nur pas­siv emp­fan­gen, son­dern auch selbst gestal­ten kön­nen, was uns gefällt und was nicht. Wenn Nut­zer und Desi­gner gemein­sam eine Kul­tur der Trans­pa­renz und Fair­ness pfle­gen, kann Mani­pu­la­tion sogar zum posi­ti­ven Erleb­nis wer­den. Dann ist Web­de­sign nicht mehr nur ein blo­ßes Wer­be­in­stru­ment, son­dern ein hilf­rei­cher Weg­wei­ser, der uns das Leben ein Stück weit ein­fa­cher macht.

Am Ende liegt es an uns – sowohl als Desi­gner als auch als Nut­zer –, diese Balance zu wah­ren und nicht in mani­pu­la­tive Fal­len zu tap­pen. Denn so wie ein gutes Rezept die rich­ti­gen Zuta­ten und eine ordent­li­che Por­tion Fein­ge­fühl braucht, so braucht ein gutes Web­de­sign Men­schen, die wis­sen, wann man eine Prise Über­zeu­gungs­kraft hin­zu­gibt und wann man bes­ser auf­passt, dass die Suppe nicht ver­sal­zen wird. Genau diese Ver­ant­wor­tung ist es, die uns Web­de­si­gner zu moder­nen Mani­pu­la­to­ren macht: Wir haben die Mög­lich­keit, Den­ken und Han­deln zu for­men, und wir haben die Ver­ant­wor­tung, uns bewusst damit aus­ein­an­der­zu­set­zen. Wenn beide Sei­ten die­ses Spiel durch­schauen, pro­fi­tie­ren am Ende alle.

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