28. November 2024

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Gutes Webdesign ist eine Lüge

Zwei Schilder mit lächelndem und traurigem Gesicht

Ach ja, „gutes Webdesign“. 

Das klingt, als wäre es etwas Greif­ba­res, als gäbe es eine Art hei­li­gen Gral der Web­ge­stal­tung. Man stellt sich sofort cleane, moderne Lay­outs, schi­cke Ani­ma­tio­nen und natür­lich „Mobile-First“ vor, als wäre das eine Garan­tie für sofor­ti­gen Erfolg im Netz. Aber wenn wir mal ver­su­chen einen ehr­li­chen Blick dar­auf zu wer­fen: Diese ganze Idee vom „guten“ Web­de­sign ist ein biss­chen, na ja… eine Illusion. 

Warum? Weil es eben kein all­ge­mein­gül­ti­ges „gut“ gibt – zumin­dest nicht im Webdesign.

Jeder hat eine andere Vor­stel­lung von „gut“ – je nach Kul­tur, Ziel­gruppe oder per­sön­li­chem Geschmack. Und das meiste, was uns als „gutes Design“ ver­kauft wird, ist tat­säch­lich nur eine Ober­flä­che, die oft wenig mit der eigent­li­chen Benut­zer­er­fah­rung zu tun hat. Also wer­fen wir mal einen kri­ti­schen Blick auf die­sen Mythos und fin­den her­aus, was wirk­lich zählt.

Warum „gut“ im Webdesign immer relativ ist

Screenshot Craigslist

Was ist „gut“? Für die einen ist es mini­ma­lis­ti­scher Puris­mus, für die ande­ren ein Regen­bo­gen-Feu­er­werk. Ein Design, das einem jun­gen Nut­zer mit Vor­liebe für Schnick­schnack gefällt, kann einen älte­ren Men­schen ein­fach nur ver­wir­ren. Neh­men wir mal Craigs­list – die gute alte Floh­markt-Web­site, die aus­sieht, als wäre sie aus dem Inter­net der 90er Jahre direkt in die Gegen­wart gesprun­gen. Super ein­fach, kein Design-Wun­der­werk, und trotz­dem immens erfolg­reich! Warum? Weil es seine Funk­tion erfüllt. Punkt. Die Seite ist sim­pel, schnell und lässt die Nut­zer fin­den, was sie brau­chen. Es muss also nicht immer modern und fancy sein, um „gut“ zu sein.

Ästhetik vs. Funktionalität: Was zählt wirklich?

Screenshot Wikipedia

Oft heißt es ja: „Das Auge isst mit.“ Aber was bringt einem die schönste Web­site, wenn sie nicht funk­tio­niert? Ästhe­tik ist zwar toll, aber Funk­tio­na­li­tät ist oft der eigent­li­che Star. Wiki­pe­dia ist dafür ein super Bei­spiel. Die Seite ist eine rie­sige, nicht gerade bild­schöne Infor­ma­ti­ons­samm­lung, ohne Schnick­schnack, aber sie funk­tio­niert per­fekt. Man fin­det, was man sucht, ohne von Ani­ma­tio­nen oder schwe­ben­den Bil­dern abge­lenkt zu wer­den. Wiki­pe­dia ist quasi die Jog­ging­hose des Inter­nets: gemüt­lich, ein­fach, funk­tio­nal – und trotz­dem so beliebt wie kaum eine andere Seite. Design muss also nicht schön sein, um seine Auf­gabe zu erfüllen.

Benutzerfreundlichkeit ist mehr als gutes Aussehen

Stell dir vor, du betrittst einen Laden, der super sty­lisch ist, aber du fin­dest abso­lut nichts. Du wür­dest wahr­schein­lich frus­triert gehen, oder? Genauso ist es bei Web­sites. Eine schöne Seite hilft wenig, wenn die Navi­ga­tion ein Alb­traum ist. Benut­zer­freund­lich­keit ist im Web­de­sign oft das A und O. Gerade bei Sei­ten wie Nach­rich­ten­por­ta­len, die auf den ers­ten Blick über­la­den wir­ken, macht das tat­säch­lich Sinn – die Nut­zer fin­den schnell die neu­es­ten Schlag­zei­len, kön­nen Rubri­ken durch­fors­ten und das Wich­tigste: Sie kom­men ohne Umwege an ihr Ziel. Hier zeigt sich, dass Ästhe­tik allein nicht das Maß aller Dinge ist. Usa­bi­lity muss ein­fach pas­sen, sonst ver­liert eine Seite ihre Nut­zer schnel­ler, als man „Web­de­sign-Trend“ sagen kann.

Web­de­sign-Trends sind ja wie das Wet­ter: kaum hat man sich an eine Sache gewöhnt, kommt schon wie­der die nächste. Heute heißt es „Dark Mode“, ges­tern war es „Flat Design“ und davor Par­al­lax-Scrol­ling. Diese Trends wir­ken oft modern und cool, aber das Pro­blem ist: Nicht jeder Trend ist auch prak­tisch. „Flat Design“ zum Bei­spiel sah eine Weile wirk­lich schick aus, aber manch­mal war es schlicht unles­bar. Die But­tons sahen toll aus, aber kei­ner wusste, dass man dar­auf kli­cken soll! Also: Trends sind toll für den Wow-Effekt, aber sie bedeu­ten nicht unbe­dingt, dass das Design auch tat­säch­lich „gut“ ist. Da müs­sen wir schon etwas dif­fe­ren­zier­ter hinschauen.

Minimalismus vs. Überladung – Ist weniger wirklich mehr?

Mini­ma­lis­mus hat ja einen ganz eige­nen Charme: klare Linien, viel Weiß­raum, wenig Text. Aber manch­mal ist weni­ger eben auch ein­fach… zu wenig. Gerade im E‑Com­merce-Bereich muss eine Web­site häu­fig viele Infor­ma­tio­nen auf­be­rei­ten – Pro­dukt­de­tails, Bewer­tun­gen, Zusatz­in­fos. Ein mini­ma­lis­ti­sches Design könnte hier hin­der­lich sein, wenn wich­tige Infos feh­len und der Nut­zer rat­los zurück­bleibt. Natür­lich will nie­mand eine Seite, die aus­sieht wie ein über­füll­tes Schau­fens­ter im Som­mer­schluss­ver­kauf, aber die gol­dene Mitte ist das Ziel. Wie so oft im Leben: Alles ist eine Frage der Balance.

Die Einheitslösung – Warum das, was „gut“ ist, nicht für alle funktioniert

Das Pro­blem mit „Best Prac­ti­ces“ im Web­de­sign ist oft, dass sie für alle Bran­chen über einen Kamm geschert wer­den. Aber nicht jede Web­site sollte gleich aus­se­hen. Ein E‑Com­merce-Shop will klare Pro­dukt­bil­der und direkte Kauf­mög­lich­kei­ten, wäh­rend eine Künst­ler­seite viel­leicht expe­ri­men­tell und krea­tiv sein möchte. Oder denk mal an eine Finanz­seite im Ver­gleich zu einer Mode-Web­site. Das eine ver­langt Klar­heit und Ver­trauen, das andere darf ruhig etwas mehr Pep haben. Die Vor­stel­lung, dass es ein uni­ver­sel­les Rezept für gutes Web­de­sign gibt, ist genauso absurd wie die Idee, dass ein ein­zi­ger Haar­schnitt für alle Men­schen pas­sen könnte.

Kulturelle Unterschiede – Was für den einen gut ist, schreckt den anderen ab

Kul­tu­relle Unter­schiede sind ein fas­zi­nie­ren­des Thema im Web­de­sign. Wäh­rend wir in Europa oft mini­ma­lis­ti­sche, klare Designs bevor­zu­gen, sieht das in Asien ganz anders aus. Die japa­ni­sche Ama­zon-Seite ist zum Bei­spiel voll­ge­packt mit Infor­ma­tio­nen und wirkt für uns viel­leicht chao­tisch. Aber für den dor­ti­gen Markt ist das völ­lig nor­mal und auch gewünscht! Es zeigt sich: „Gutes“ Design ist auch eine Frage kul­tu­rel­ler Erwar­tun­gen. Es gibt kein Rich­tig oder Falsch, nur unter­schied­li­che Geschmäcker.

Mobile-First – Ist das wirklich die beste Lösung?

Mobile-First ist gerade der Trend schlecht­hin. Und ja, die meis­ten von uns nut­zen das Smart­phone, um kurz etwas zu che­cken. Aber nicht jede Web­site eig­net sich dafür. Gerade in Bran­chen wie dem Finanz­sek­tor oder B2B-Bereich, wo Nut­zer oft mit kom­ple­xen Infor­ma­tio­nen arbei­ten, kann ein Desk­top-Design mehr Über­sicht und Kom­fort bie­ten. Für eine Koch-Web­site, die mal schnell ein Rezept anzei­gen will? Klar, Mobile-First ist per­fekt. Aber für Sei­ten mit viel Inhalt kann der Mobile-First-Ansatz manch­mal auch zum Fluch werden.

Warum „gutes“ Design oft wirtschaftlichen Zwängen unterliegt

Design ist nicht immer eine Frage der Krea­ti­vi­tät – manch­mal geht’s schlicht ums Geld. Ein klei­nes Unter­neh­men wird keine rie­si­gen Sum­men in ein fancy Design ste­cken, son­dern auf etwas Funk­tio­na­les set­zen, das den Job macht. Craigs­list ist hier wie­der ein Para­de­bei­spiel. Die Seite sieht zwar aus, als hätte sie seit den 90ern kein Update gese­hen, aber sie funk­tio­niert und erfüllt ihren Zweck. Nicht jede Firma kann sich eine Top-Agen­tur leis­ten – und das muss auch gar nicht sein. Manch­mal ist ein simp­les Design genauso effektiv.

SEO vs. Design – Die Herausforderung des Kompromisses

Ach ja, SEO. Auch das spielt beim Design eine große Rolle. Um bei Google gut zu ran­ken, muss eine Seite gewisse Struk­tu­ren und Inhalte auf­wei­sen, was das Design beein­flusst. Manch­mal wirkt eine Seite des­we­gen über­la­den oder schlicht, erfüllt aber die SEO-Kri­te­rien. Hier zeigt sich, dass Design oft Kom­pro­misse ver­langt – und dass „gut“ in die­sem Fall auch „gefun­den wer­den“ bedeu­ten kann. Die schönste Seite bringt wenig, wenn sie kei­ner findet.

Die Macht der Gewohnheit – Warum Veränderungen oft unerwünscht sind

Men­schen sind Gewohn­heits­tiere. Wenn wir uns an ein Design gewöhnt haben, dann mögen wir keine gro­ßen Ver­än­de­run­gen. Die Nut­zer ren­nen Sturm, wenn Face­book wie­der ein­mal das Lay­out ändert, weil sie sich an das Alte gewöhnt haben. Und warum? Weil das alte Design ver­traut und leicht zu bedie­nen ist. Wenn sich was bewährt hat, warum dann ver­än­dern? Manch­mal ist „gut“ eben das, was die Nut­zer schon ken­nen – ganz ohne Schnick­schnack und Innovation.

Der psychologische Effekt von „schlechtem“ Design

Screenshot Drudge Report

Inter­es­san­ter­weise kann ein Design, das auf den ers­ten Blick „schlecht“ aus­sieht, manch­mal sogar von Vor­teil sein. Es wirkt viel­leicht eigen­wil­lig oder sogar alt­mo­disch, bleibt dafür aber im Gedächt­nis. Ein Bei­spiel ist „The Drudge Report“ – keine Glanz­leis­tung in Sachen Optik, aber täg­lich von Mil­lio­nen besucht. Sie ver­mit­telt Klar­heit und Authen­ti­zi­tät, weil sie eben keine auf­wän­di­gen Effekte nutzt. Manch­mal reicht ein unauf­ge­reg­tes Design aus, um erfolg­reich zu sein.

Was ist Denn nun wirklich „gutes“ Webdesign?

Tja, am Ende des Tages gibt es kein Patent­re­zept für gutes Web­de­sign. Jeder Kon­text, jede Ziel­gruppe und jede Bran­che hat andere Anfor­de­run­gen. Für mich ist „gut“ das Design, das seine Funk­tion erfüllt, benut­zer­freund­lich ist und zur Ziel­gruppe passt – ganz unab­hän­gig davon, ob es dabei top­mo­dern aus­sieht oder nicht. Die Idee, dass es eine uni­ver­selle Defi­ni­tion für „gutes“ Web­de­sign gibt, ist ein­fach eine Illu­sion. Erfolg­rei­ches Design ist das, was für die Nut­zer funk­tio­niert und die Ziele der Web­site erfüllt.

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